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Die herrlich verrückte Welt der Cheryl 1.

Im Lotto gewonnen, sag bloß?! Bist du nicht glücklich?
Geld macht nicht glücklich, weil Dinge nicht glücklich machen, nur die Beziehungen zu Menschen oder Dingen.
Mensch, bist du schlau.
Nee, bloß nachdenklich vielleicht.
Aber Geld muss man ausgeben.
Klar, werde ich das auch, wie verrückt, planmäßig und gezielt.
Du hast Träume.
Immer schon gehabt. Seinen Traum soll man leben, Scheißspruch, aber wahr.
Gibst du deinen Gerümpel Laden auf?
Spinnst du? Überhaupt „Gerümpel“, du redest `ne ganze Blechkolonne.
Na, Bücher über Bücher, alte Tischchen, olle Kommoden und Schränkchen, die dir kaum mal jemand abkauft.
Meine Bilder auch Gerümpel? Wegen denen kommst du doch immer wieder.
Auch. Vor allen Dingen deinetwegen.
Dass ich nicht lache. Deine Frau ist bitterböse auf mich, ich würde dich dazu verführen, das Geld für Müll auszugeben.
Die versteht eben nichts von Kunst und Künstlern.
Du bist einer, ein Hungerkünstler mit Hund.
Kann eben nur Krimis. – Und du ´ne Ladenbesitzerin mit ´nem Knall und sieben Katzen.
Die magst du doch, bringst immer was mit für die.
Um mich bei dir einzukratzen.
Nu ist aber genug. Ab durch die Mitte.
Du schmeißt mich einfach raus?
Guck mal auf die Uhr.
Du machst wieder mal zu früh Feierabend.
Zu spät. Kannste nicht lesen.
Geänderte Öffnungszeiten. Ohlala.
Das war das Allererste.
Komm noch ein Stück mit in den Park!
Du spinnst schon wieder.
Schade! Tschüss, du Süße.

Die kleine dicke Cheryl lacht und schließt die Tür ab, knipst das Licht aus und geht durch den dämmerigen Raum zwischen den Möbeln hindurch nach hinten in die kleine Küche. Sofort kommen zwei Kater an geschnurrt, die Katzen liegen lässig da. Sie können warten.
Sie zählt die Häupter ihrer Lieben, wie immer, sieben. Wenn´s Futter gibt, sind alle da. Aus dem Gazeschränkchen auf der überdachten Terrasse zum kleinen Garten nimmt sie frische Sprotten. Es ist kalt draußen. Aber die Katzen werden außerhalb gefüttert, damit sich der Fischgeruch nicht in der Küche festsetzt. Jeder hat seinen Teller und einen Trinknapf. Ordnung ist das halbe Leben, sagte die Omi immer.
Die Oma Goldinger hat ihr das schmale Haus mit dem Laden vermacht, den sie bis zu ihrem Ende beherrscht hatte. Nur langsam ließ sie sich dies und das aus der Hand nehmen, durfte Cheryl etwas ändern. Aber die Kräfte ließen dann schnell nach. Ich denke, dass sie glücklich eingeschlafen ist in der Küche, als ich im Laden Käufer hatte. Sie hat noch alles gehört, was sie hören wollte. Schmunzeln.
Rakete, Lilly, Bofinger, Doppelmoppel und Circe heißen die Katzen, die sich nach und nach durch den Garten bei ihr eingeschlichen haben. Omi hatte nur Sartré und Luzifer, als Cheryl ankam, die beiden Kater Die haben auch voll die Herrschaft. Heißt so gut: Hunde haben ihre Herrchen, Katzen ihre Diener.
Aber sie stürzen sich nicht auf das Fressen, bevor das Kommando kommt: Los!
Cheryl schaut von der Küche aus zu, bedauert zwar, dass sie hier das Geschmatze nicht so gut hört bei geschlossener Tür, aber man sieht, dass es schmeckt. Wenn sie sich geputzt haben, dürfen sie wieder rein und mit nach oben. Cheryl überlegt kurz, steigt nach ganz oben ins Atelier. Hier wird sie zuerst etwas ändern: Mehr Licht. Der Raum geht nach Norden und Osten, das ist günstig, nun wird an dieser Giebelwand eine große gläserne Mattscheibe angebracht werden. Nur kein grelles Licht, das mag sie nicht zum Malen, nur bei Freiluftmalerei. Doch dazu kommt sie kaum. Früher hatte sie ein paar Semester Kunst studiert, bevor die Mutter Krebs bekam.
Sie nimmt das Tuch von der Staffelei – nein, jetzt male ich nicht, bloß gucken, wie`s aussieht. Ein Clown mit Katzen, die um ihn herum springen und schweben, balancieren und schreien. Cheryl lacht sich selbst aus: Ich bin ein trauriger Clowny, die fressen mich kahl. Die blaue Perücke hat eine Katze an die Gardinenstange geschlenkert, der Zauberstab segelt durch die Luft, Kastagnetten liegen neben Klanghölzern und der Panflöte. Es wird, das Bild.
Sie hängt es wieder zu und geht hinunter, wo neben dem Bücherregal der PC und der kleine Weltempfänger stehen, beide Tischchen darunter blau gestrichen. Sie liebt Blautöne, Jazz und Clownerie.
Im Internet sucht sie einen örtlichen Glaser, findet ihn und fährt den PC runter.
So ihr lieben, jetzt geh ich doch noch mal los, bevor der Glaser Feierabend hat.
Luzifer ist nicht einverstanden. Er springt vom Fensterbrett und sie an mit Pfötchen hoch wie ein Hund.
Der weiße Lichtbringer will tanzen, sie dreht sich ein paarmal mit ihm und lässt ihre Rasselbande dann allein zurück.
Auf der Straße ist es schon ziemlich dunkel, aber sie weiß, wo die Mühlenstraße ist. Als sie bei Finn Fuchsbuckel eintrudelt, hat der aber doch Feierabend. Mutig drückt sie auf die Klingel. Mürrisch klingt es von hinter der Tür: Geschlossen! Aber dann wird trotzdem geöffnet. Ein mittelgroßer Typ unbestimmbaren Alters schaut sie an, ach die Künstlerin aus Oma Goldingers Laden.
Sie kannten meine Großmutter?
Klar. Bin ein Eingeborener. Wo brennt´s denn?
Ein Umbau des oberen, hinteren Giebels zu einer Glaswand.
Na komm! Erklär mal. – Hm, da wirst du einen Architekten brauchen, ist `ne tragende Wand. Da reiße ich nix einfach ab. Bringt der Laden so viel ein, dass du das leisten kannst?
Würde schon gehen.
Also der Hannes Hosengut macht das sicher erschwinglich.
Ach, das ist ein Kunde von mir. Wusste nicht, dass er Architekt ist.
Bist halt `ne Zugezogene, der ist ein ehemaliger Klassenkamerad von mir. Ich geb dir die Adresse.
Hab ich mal was hin geliefert, kenn ich. Danke.
Und wenn ´ne Zeichnung da ist, kann ich auch mit Ziegeln umgehen als Glaser und Bautischler.
Fein! Ich komm dann wieder.