Am 11.04.2016 um 15:28 schrieb PEN-Zentrum Deutschland:
Aktuelle Mitteilung
Pressemitteilung, Darmstadt, 11. April 2016
Wahre Kunst wird zur Ware Kunst
TTIP soll als Handelsabkommen für einen weltweit besseren Handelsfluss sorgen – für Kulturschaffende gelten die Verhandlungen als Apokalyptische Reiter gegen kulturelle Vielfalt und künstlerische Freiheit.
„Auf geradezu erschütternde Weise antidemokratisch“, so rügt das deutsche PEN-Zentrum die konsequente Intransparenz der TTIP-Verhandlungen. „Niemand weiß, wer außer den Verhandlungsführern genau teilnimmt, was wie warum besprochen wird. In einem Europa, das auf Mitgestaltung, freie Information und Diversität wert legt, sind Geheimverhandlungen dieser Art inakzeptabel“, so die Generalsekretärin des PEN-Zentrums, Regula Venske.
Kultur als Handelshemmnis – und der Trick mit dem Warenklassifizierungssystem
TTIP sieht u.a. ein „Warenklassifizierungssystem“ vor. Darunter sollen auch europäische Kulturwerke fallen, vor allem digitalisierte Bücher würden als „Dienstleistung“ deklariert – und nicht mehr als Kulturwerk oder „Buch“. Ebenso würden geförderte Filme, Theaterproduktionen oder der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk zur Ware und Dienstleistung – und diese einem rein ökonomischen, US-nahen Standard unterworfen. „Der ‚Wert’ von Kultur wird dann nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingeschätzt, aber nicht nach inhaltlichen oder kulturell und gesellschaftlich nötigen. Das ist der beste Weg, um einer Nation Rückgrat, Geist und Identität zu nehmen“, so PEN-Präsident Josef Haslinger.
Nach und nach würden staatliche Kultur-Förderungen in Europa, aber auch Preisbindungen – wie die Buchpreisbindung, die für weltweit einzigartig niedrige Verkaufspreise und das Überleben kleiner Verlage und innerstädtischer, inhabergeführter Buchhandlungen sorgt – oder das werbefreie Radio und Fernsehen in Frage gestellt werden.
„Das Warenklassifizierungssystem ist neben den privaten Schiedsgerichten sowie dem sogenannten Investitionsschutz einer jener Hintertüren, durch die die Apokalyptischen Reiter gegen die Europäische Kultur hinein preschen“, ergänzt Nina George, Urheberrechtssachverständige des PEN-Präsidiums. „Eine unwiderstehliche Steilvorlage für Konzerne, gegen Staaten zu klagen, wenn ihnen deren Politik nicht in die Bilanz passt. Die Klauseln zum Investitionsschutz würden z.B. Amazon ermöglichen, die Buchpreisbindung als Handelshemmnis zu deklarieren, und Deutschland auf entgangene Einnahmen zu verklagen.“
Noch alarmierender seien die Geheimverhandlungen zum Urheberrecht. „Weltweit gilt unter Künstlerinnen und Kulturunternehmen das deutsche Urheberrecht als der gerechteste Standard, der Inhalt und Schöpfer schützt, ob gegen Zensur oder unfaire Verwertungsbedingungen. Das amerikanische Copyright dagegen ordnet Nutzungsrechte den Verwertern zu – was zu marktgleitfähigen Produkten führt, aber weder herausragende Nischenliteratur fördert noch die Autorenschaft in künstlerische und wirtschaftliche Unabhängigkeit bringt.
Dabei verweist das Mandat der EU-Kommissionen eindeutig auf die UNESCO-Konvention zur kulturellen Vielfalt, die die europäischen Staaten weitestgehend unterzeichnet haben. Die Vereinigten Staaten ihrerseits sind diesem Abkommen nicht beigetreten.
Das PEN-Zentrum Deutschland fordert die Bundesregierung auf, sich für die Ausnahme sämtlicher Kultur und Medien in den TTIP-Verhandlungen einzusetzen.
– Sorgen Sie dafür, dass der Kultur- und Medienbereich von den Verhandlungen ausgenommen wird und die öffentliche Kultur- und Medienförderung vollständig erhalten bleibt!
– Lassen Sie es nicht zu, dass Bevölkerung und Parlamente aus den Verhandlungen um CETA und TTIP herausgehalten und statt Bürgerinnen und Bürgern lieber Lobbyisten gehört werden!
– Lehnen Sie das Warenklassifizierungssystem für Kulturwerke ab und nehmen Sie Kultur und kulturschaffende Organisationen aus der Investitionsschutzklausel heraus. Die schon heute umstrittenen Investorenklagen gegen Staaten vor geheimen Schiedsgerichten sorgen bereits jetzt für eine Welle von Privatisierungen und höhlen unsere Demokratie aus, wenn Konzerne klagen – und die BürgerInnen zahlen!
Das PEN-Zentrum Deutschland gehört zum Unterstützerkreis der bundesweiten Großdemonstration „Stopp TTIP und CETA – Für einen gerechten Welthandel“.
Als Mitglied des Deutschen Kulturrates ruft der PEN gemeinsam mit vielen anderen Organisationen dazu auf, am 23. April 2016 in Hannover unter dem Motto: „Obama und Merkel kommen: TTIP & CETA stoppen! Für einen gerechten Welthandel!“ zu demonstrieren.
Der Aufruf zur Demonstration kann als Einzelperson oder Organisation unterzeichnet werden: http://ttip-demo.de/home/aufruf/aufruf-unterzeichnen/.
Für das PEN-Zentrum Deutschland
Regula Venske Nina George
Generalsekretärin Beirätin
Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die im PEN International vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets, Essayists, Novelists. Der PEN wurde 1921 in England als literarischer Freundeskreis gegründet. Schnell hat er sich über die Länder der Erde ausgebreitet und sich als Anwalt des freien Wortes etabliert – er gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftsteller.
PEN-Zentrum Deutschland
Kasinostr. 3
64293 Darmstadt
Tel.: 06151 / 23120
Fax.: 06151 / 293414
E-Mail: info@pen-deutschland.de
http://www.pen-deutschland.de
Tel. +49 (0) 6151-23120
Fax +49 (0) 6151-293414
info@pen-deutschland.de
www.pen-deutschland.de
PEN-Zentrum Deutschland • Kasinostr. 3 • 64293 Darmstadt
Präsident: Josef Haslinger• Generalsekretärin: Regula Venske
Vizepräsidenten: Sascha Feuchert, Franziska Sperr • Schatzmeister: Matthias Biskupek • Geschäftsführerin: Claudia C. Krauße
Eingetragen beim Amtsgericht Darmstadt, VR 2850
Volksbank Darmstadt • BLZ 508 900 00 • Konto 58920711 • IBAN: DE22 5089 0000 0058 9207 11 • BIC: GENODEF1VBD
Sparkasse Darmstadt • BLZ 508 501 50 • Konto 730114 • IBAN: DE03 5085 0150 0000 7301 14 • BIC: HELADEF1DAS
PEN International Association of Writers
Pressemitteilung, Darmstadt, 11. April 2016
Wahre Kunst wird zur Ware Kunst
TTIP soll als Handelsabkommen für einen weltweit besseren Handelsfluss sorgen –
für Kulturschaffende gelten die Verhandlungen als Apokalyptische Reiter gegen
kulturelle Vielfalt und künstlerische Freiheit.
„Auf geradezu erschütternde Weise antidemokratisch“, so rügt das deutsche PENZentrum
die konsequente Intransparenz der TTIP-Verhandlungen. „Niemand weiß,
wer außer den Verhandlungsführern genau teilnimmt, was wie warum besprochen
wird. In einem Europa, das auf Mitgestaltung, freie Information und Diversität wert
legt, sind Geheimverhandlungen dieser Art inakzeptabel“, so die Generalsekretärin
des PEN-Zentrums, Regula Venske.
Kultur als Handelshemmnis – und der Trick mit dem
Warenklassifizierungssystem
TTIP sieht u.a. ein „Warenklassifizierungssystem“ vor. Darunter sollen auch
europäische Kulturwerke fallen, vor allem digitalisierte Bücher würden als
„Dienstleistung“ deklariert – und nicht mehr als Kulturwerk oder „Buch“. Ebenso
würden geförderte Filme, Theaterproduktionen oder der Öffentlich-Rechtliche
Rundfunk zur Ware und Dienstleistung – und diese einem rein ökonomischen, USnahen
Standard unterworfen. „Der ‚Wert’ von Kultur wird dann nach rein
wirtschaftlichen Gesichtspunkten eingeschätzt, aber nicht nach inhaltlichen oder
kulturell und gesellschaftlich nötigen. Das ist der beste Weg, um einer Nation
Rückgrat, Geist und Identität zu nehmen“, so PEN-Präsident Josef Haslinger.
Nach und nach würden staatliche Kultur-Förderungen in Europa, aber auch
Preisbindungen – wie die Buchpreisbindung, die für weltweit einzigartig niedrige
Verkaufspreise und das Überleben kleiner Verlage und innerstädtischer,
inhabergeführter Buchhandlungen sorgt – oder das werbefreie Radio und Fernsehen
in Frage gestellt werden.
„Das Warenklassifizierungssystem ist neben den privaten Schiedsgerichten sowie
dem sogenannten Investitionsschutz einer jener Hintertüren, durch die die
Apokalyptischen Reiter gegen die Europäische Kultur hinein preschen“, ergänzt Nina
George, Urheberrechtssachverständige des PEN-Präsidiums. „Eine unwiderstehliche
Steilvorlage für Konzerne, gegen Staaten zu klagen, wenn ihnen deren Politik nicht in
die Bilanz passt. Die Klauseln zum Investitionsschutz würden z.B. Amazon
ermöglichen, die Buchpreisbindung als Handelshemmnis zu deklarieren, und
Deutschland auf entgangene Einnahmen zu verklagen.“
Noch alarmierender seien die Geheimverhandlungen zum Urheberrecht. „Weltweit
gilt unter Künstlerinnen und Kulturunternehmen das deutsche Urheberrecht als der
gerechteste Standard, der Inhalt und Schöpfer schützt, ob gegen Zensur oder unfaire
Verwertungsbedingungen. Das amerikanische Copyright dagegen ordnet
Nutzungsrechte den Verwertern zu – was zu marktgleitfähigen Produkten führt, aber
weder herausragende Nischenliteratur fördert noch die Autorenschaft in
künstlerische und wirtschaftliche Unabhängigkeit bringt.
Dabei verweist das Mandat der EU-Kommissionen eindeutig auf die UNESCOKonvention
zur kulturellen Vielfalt, die die europäischen Staaten weitestgehend
unterzeichnet haben. Die Vereinigten Staaten ihrerseits sind diesem Abkommen
nicht beigetreten.
Das PEN-Zentrum Deutschland fordert die Bundesregierung auf, sich für die
Ausnahme sämtlicher Kultur und Medien in den TTIP-Verhandlungen einzusetzen.
– Sorgen Sie dafür, dass der Kultur- und Medienbereich von den Verhandlungen
ausgenommen wird und die öffentliche Kultur- und Medienförderung
vollständig erhalten bleibt!
– Lassen Sie es nicht zu, dass Bevölkerung und Parlamente aus den
Verhandlungen um CETA und TTIP herausgehalten und statt Bürgerinnen und
Bürgern lieber Lobbyisten gehört werden!
– Lehnen Sie das Warenklassifizierungssystem für Kulturwerke ab und nehmen
Sie Kultur und kulturschaffende Organisationen aus der
Investitionsschutzklausel heraus. Die schon heute umstrittenen
Investorenklagen gegen Staaten vor geheimen Schiedsgerichten sorgen
bereits jetzt für eine Welle von Privatisierungen und höhlen unsere Demokratie
aus, wenn Konzerne klagen – und die BürgerInnen zahlen!
Das PEN-Zentrum Deutschland gehört zum Unterstützerkreis der bundesweiten
Großdemonstration „Stopp TTIP und CETA – Für einen gerechten Welthandel“.
Als Mitglied des Deutschen Kulturrates ruft der PEN gemeinsam mit vielen anderen
Organisationen dazu auf, am 23. April 2016 in Hannover unter dem Motto:
„Obama und Merkel kommen: TTIP & CETA stoppen! Für einen gerechten
Welthandel!“ zu demonstrieren.
Der Aufruf zur Demonstration kann als Einzelperson oder Organisation unterzeichnet
werden: http://ttip-demo.de/home/aufruf/aufruf-unterzeichnen/.
Für das PEN-Zentrum Deutschland
Regula Venske Nina George
Generalsekretärin Beirätin
Das PEN-Zentrum Deutschland ist eine der weltweit über 140 Schriftstellervereinigungen, die
im PEN International vereint sind. Die drei Buchstaben stehen für die Wörter Poets,
Essayists, Novelists. Der PEN wurde 1921 in England als literarischer Freundeskreis
gegründet. Schnell hat er sich über die Länder der Erde ausgebreitet und sich als Anwalt des
freien Wortes etabliert – er gilt als Stimme verfolgter und unterdrückter Schriftsteller.