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Nach Vollmond

Nach einer mehr recht als schlecht verbrachten Vollmondnacht, ich bin mehrmals aufgestanden und habe mich beschäftigt, stieg ich heute Morgen mit vielen Umständen auf die Leiter und brachte den vierten Schleuderstab an meinen Gardinen an. Muss froh sein, dass ich nicht abgestürzt bin, dass ich das noch kann, denn mit der ziemlich vagen Diagnose von vor drei Jahren, dass ich bald im Rollstuhl sitzen würde, ist das ja erstaunlich. Genaueres sagen mir die anderen Arztbefunde auch nicht, wenigstens nicht so, dass ich recherchieren könnte, wann das vielleicht eintritt.

Noch in der Nacht gestaltete ich die Rückwand des Kleiderschranks mit Familienfotos und welchen von Freundinnen. Ein Foto hab ich ausgerahmt und ersetzt, da ich beim letzten Besuch dort als „frühere Freundin“ vorgestellt wurde. Für mich aber gilt Freundschaft, wenn es denn welche ist, ein Leben lang. Also war das nur eine zeitweise Bekannte, keine Freundin, die es verdiente, an meiner Wand mit Freundinnen vereint zu sein.

Dann wollte ich eigentlich eine der Bildschienen zuschneiden, aber die Athrose-Schulter sollte heute nicht so sehr belastet werden. Darum habe ich das Stricknadelspiel mit dem feinen, weichen Wollgarn ausprobiert im Liegen. Da konnte ich den Arm abstützen. Das Endprodukt kann als Röckchen für die nächste Fingerpuppe dienen, aber eine größere Sache mit dem feinen Garn und den Nadeln, werde ich mir nicht zumuten, denn es würde zu lange dauern. Dazu fehlt mir doch die Geduld. Bei Gelegenheit kaufe ich etwas passendes dazu und lasse es mitlaufen, wäre sonst schade drum.

Noch in der Nacht schrieb ich mir einen Merkzettel, dass ich die großen, auf Seide vorgezeichneten Bilder heraussuchen will. Diese werden dann wohl meine nächste Arbeit sein, die ich dann, wenn es draußen wieder wärmer wird, auf der Loggia mit dem Dampffixierer bearbeiten werde. Meine große Sorge ist nur, ob ich die Hand ruhig genug halten kann, um mit dem Pinsel ordentlich die Linien für die Begrenzung ziehen kann. Es soll ja nicht gleich alles auslaufen. Mal sehen, vielleicht lass ich einige der Entwürfe extra verlaufen, um mehr Aquarelleffekte zu erhalten, das könnte auch gut aussehen. Die Glasplatte auf dem Couchtisch hier animiert geradezu, mit Seidenmalfarben darauf zu hantieren. Es gibt ja auch noch kleinere Seidenstücke, die zu Bildern werden könnten. Wenn ich anfange, muss ich sicher erst mal wieder ein wenig üben.

Ansonsten hab ich Weihnachtsdeko aus dem Keller hochgeholt. Will dann den Fensterschmuck erst einmal wechseln in weihnachtlich, wenigstens die nächsten vier Wochen. Für Tannengrün ist es hier leider zu warm, die Nadeln erspare ich mir. Trotzdem wird mir mein Weihnachtsbäumchen fehlen, das noch in F. auf der Terrasse steht, falls mein Mann es nicht inzwischen verdorren lassen hat. Er sieht nicht, wenn Pflanzen dürsten, wo er es schon bei Menschen nicht sieht.

Die Kontakte im Internet sind nicht so, dass ich unbedingt persönliche Bekanntschaft machen möchte. Was soll mir ein junger, gimpelhafter und eitler, dunkelhaariger schwarzäugiger Typ, wo ich doch mehr auf blond/grau und blaue Augen stehe. Also werde ich absagen.

Mein Vogelhäuschen ist auch noch nicht wieder fertig. Ist noch einiges zu erfinden daran, damit ich es aufhängen kann, wenn ein Haken dafür angebracht wurde. Vorläufig sieht es nicht danach aus, als könnte mein Töchting bald bohren. Aber fertig sollte es dann schon sein.

Im Briefkasten war auch keine Post, der Me muss ich erst wieder schreiben. Oder rufe ich sie einfach mal wieder an? Vielleicht ist sie ja in D. und nicht gerade bei ihrem Mann in der Pampa. Ich bin zu viel allein. Dafür war die Residenz gut, da konnte ich immer mal kurz eine Pause einlegen und das Kaffeekränzchen im Gartenzimmer aufsuchen… Alles kann man eben nicht haben.