Gelächter und Geknutsche folgen. Sie schaut auf die Leuchtziffern ihres Weckers, er folgt ihrem Blick. Sie kuscheln noch ein wenig, dann schiebt Cheryl ihn aus ihrem Bett. Komm duschen!
Ist das ein Befehl?
Ich kann auch zuerst allein gehen.
Besser. Dein Bett riecht so gut.
Lass dich nicht von den Katern erwischen!
Och, die mögen mich, glaub ich. Die fühlen dein Wohlsein.
Scherzkeks!
Nee, im Ernst. Die Katzen scheinen mit dir zu fühlen. Schon als ich das allererste Mal diese Treppen hoch kam.
Als sie wieder nach oben kommt, sitzen Circe und Lilly neben Finn auf dem Bettrand.
Lässt du sie bei dir im Bett schlafen?
Manchmal, wenn mir kalt ist, aber nicht regelmäßig. Meistens kommen die, wenn ich Stress hatte, von ganz allein zum Schmusen.
Und wie deutest du es, dass sie zu mir kamen, sobald du gegangen bist?
Die wollen dich auch genießen!
Tse, tse! – Da gibt’s noch was, dass du wissen sollst. Erinnere mich bitte später.
Finn geht duschen, Cheryl öffnet das Fenster und legt die Decke über den Bettgiebel zum lüften.
Danach ist Frühstück in der Küche angesagt. Sie fährt auf: Butter, schwarzen Johannisbeer-Gelee, Bienenhonig, Käse und Joghurt, frischen Schnittlauch, rote frische Paprika, Bohnenkaffe und Kondensmilch, Zucker – was vergessen? Sie macht altbackene Brötchen nass und legt sie zum Aufbacken in die Röhre des transportablen Öfchens.
Die Handtücher hast du mir extra hingelegt, danke!
Finns dunkles Haar ist noch feucht.
Magst du ein Frühstücksei? Wie weich?
Alles Eiweiß fest, nur das Gelbe flüssig.
So mag ich´s auch.
Cheryl nimmt die Brötchen mit einem Geschirrtuch aus der Röhre und legt sie in ein Körbchen, deckt sie mit dem Tuch zu. Sie setzen sich, da pfeift schon der Eierkocher und sie springt wieder auf und schreckt die Eier ab, stellt sie in die blauen Eierbecher mit den weißen Punkten. Sie liebt das blauweiße Steinzeug, alles passt zueinander. Keine Plastikeierlöffel, sondern Horn noch aus Oma Goldingers Haushaltsbeständen.
Du wolltest mir noch was erzählen.
Ja. Ich hoffe, dass du dich in meine Situation nach dem Tod meiner Frau ein wenig rein denken kannst. Ich bin monatelang im „Westend“ versackt vor Kummer. Mehrmals fand ich mich morgens in der Dachkammer der Kellnerin Elli. Der Mann war Diabetiker und schon länger nicht mehr für Elli im Bett da. Sie hat es auszunutzen gewusst, dass ich schon mindestens ein Jahr nicht mehr mit einer Frau zusammen war.
Das ist doch nicht weiter schlimm.
Ellen Scheithauer ist 60 Jahre alt, ihr Mann war 6 Jahre älter.
Ach! Und das konntest du?
Zuerst war ich so voll, dass ich früh nix mehr wusste. Sie war auch viel aktiver im Bett, als meine Frau es je fertiggebracht hätte.
Hat dir also Freude bereitet.
Kann man so sagen. – Später schämte ich mich und mied das „Westend“. Da stand sie nachts vor meiner Terrassentür und hämmerte an mein Schlafzimmerfenster. Wollte nicht, dass die Nachbarn aufmerksam werden, bei denen brannte noch Licht, also ließ ich sie rein. Sie bettelte mich an, doch ein bisschen lieb zu ihr zu sein. Es fiel mir nicht schwer, war schon wieder über einen Monat her. Aber ich wollte das nicht als Dauerzustand und zeigte ihr im Internetshop diverses Spielzeug für Frauen. Sie suchte sich etwas heraus und ich bestellte und zahlte. Als sie es abholte kam es wieder zu Sex. Ich schwor mir, das letzte Mal, baute einen Bewegungsmelder an, der sofort die ganze Terrasse mit Licht überflutete, wenn jemand sie betrat. Dann kam sie nicht wieder, ich dachte, dass sie sich mit dem Spielzeug vergnügt.
Und, hat sie?
Weiß ich nicht, hab nicht nachgefragt. Kurz drauf ging sie in schwarz, ihr Mann war gestorben, ich muss es in der Zeitung übersehen haben. Als ich ihr mein Beileid aussprach, erzählte sie mir, dass sie nicht mehr kellnert, sondern im Pfarrhaus für Pater Benedikt und seine Gäste kocht und das Haus putzt.
Ich bin da gut versorgt, meinte sie noch mit einem Augenzwinkern. Ich wusste, dass sie zu Bruder Benedikt immer beichten gegangen war, aber sich die Untreue nicht hatte verkneifen können. – Das war`s.
Hatte sie sich nicht in dich verliebt?
Offensichtlich mehr in meinen „Schniddelwutz“, wie sie das männliche Glied in ihrem saarländischen Dialekt nannte.
Cheryl lachte laut: Also das Wort habe ich noch nie gehört. Aber ich kenne die Verehrung des Lingams aus der Kunstgeschichte. – Weiß irgendwer davon?
Schon möglich, dass die Stammgäste vom „Westend“ etwas mitgekriegt hatten. Aber angesprochen hat mich darauf nie jemand, hab auch kein Geraune hinterbracht bekommen. Das mit dem Rumerzählen klappt hier eigentlich sonst immer. Schon Dörte vom „Heißen Ofen“ hätte was gesagt, wenn es bei ihr angekommen wäre. „Westend“ liegt zum Glück am anderen Ende der Stadt draußen.
Es wäre dir peinlich. Klar. Mir auch.
Du bist neu für mich. Eine völlig andere Erfahrung. Habe ich so noch nie erlebt. Es ist eigentlich unfassbar: So plötzlich. Überwältigende Gefühle.
Genau. So geht es mir mit dir. Hast mich einfach mitgerissen. Warm. Innig. Trotzdem vertraue ich dir. Obwohl mein Verstand sagt, dass es nicht sein kann, denn wo sind die Fakten? Du hast mich in der Hand – einerseits ein gutes Gefühl, denn deine Hand ist warm und tut mir gut – andererseits weiß ich, dass die Welt nicht gut ist zur Zeit, bei all dem, was geschieht an Machtgerangel, Kriegen, Vertreibungen, Toden …
Ja. Warum sollte es gerade uns gut gehen? Das verblüfft mich auch. Du drückst dich nur besser aus.