Die herrlich verrückte Welt 16.

Sie gehen durch den Laden in die Küche. Cheryl kocht Kaffee, aber es ist Abendbrotzeit und so essen sie bald gemeinsam, während Lilo erzählt: Als du weg warst von der Uni dein Mütterchen pflegen, habe ich mein Diplom als Kunstlehrerin gemacht und bin in den Schuldienst gegangen, das war vor acht Jahren. Aber bald spielten meine Nerven nicht mehr mit, die Beine haben versagt. Vor drei Jahren wurde ich nach langem Hin und Her berufsunfähig mit einer kleinen Rente. Ich bin dann mit meiner langjährigen Freundin Moni zusammengezogen und im Vorjahr nach Edenbach. Wir wohnen hier ganz gemütlich. Ich mache den Haushalt, Moni ist dauernd auf Achse, da kann ich nicht mithalten. Als ich von dir erfuhr, wusste ich gleich, wer du bist. Hier im Ort komme ich nicht viel rum wegen der Beine, habe mich aber inzwischen ganz gut erholt. Deinen Laden hatte ich noch nicht entdeckt. Du bist wohl auch noch nicht lange hier.
Stimmt. Seit Oma Goldinger tot ist, habe ich den Laden und ich male wieder.
Musst du mir nachher zeigen.
Und was war das für´n Spruch mit dem Monster Glöckchen?
Lilo holte eine kleine Handpuppe aus der Tasche, setzte sie auf den Finger und wackelte damit klingelnd vor Cheryls Nase herum.
Mit dem Monster Glöckchen gehe ich in das Flüchtlingslager und spiele mit den Kindern dort. Sie kommen neugierig, sobald ich da bin, denn einige kennen mich inzwischen. Die können schon „Guten Tag, Glöckchen!“ sagen und wissen, dass alle ihre Namen sagen sollen, die ich dann nachspreche. Ich versuche ulkig zu sein und sie zum Lachen zu bringen. Viele haben Schlimmes erlebt und vertrauen niemandem mehr. Oft kommen dann die Mütter und wenn eine ein bisschen Englisch spricht, können wir uns sogar verständigen. Dann besorge ich Dinge, die sie nötig brauchen. Die hilfsbereiten Leute können sich oft nicht vorstellen, was das ist. So Hygieneartikel, Windeln, Haarbürsten, sogar Lockenwickler habe ich einer besorgt. Die ist sehr glücklich und kommt immer gleich mit drei Kindern wie die Orgelpfeifen. Du müsstest das erleben.
Ich habe im Internet gesehen, wie bedrückend die Situation in vielen Lagern für Frauen mit ihren Kindern ist.
Ja. Jetzt bibbern sie vor Kälte, aber Kleidung ist relativ schnell gebracht worden. Da gibt es Hausfrauen, die das verwalten, damit nichts als Müll auf den Lagerstraßen rumfliegt. Die waschen auch schon zu Hause mit ihren Waschmaschinen Kinderkleidung. Jetzt war da ein Lausbefall, den wir aber relativ schnell unter Kontrolle hatten. Auch hier im reichen Deutschland gab es vor einiger Zeit Läuse. Das ist tückisch, wenn man sich nicht auskennt. Kinder stecken schnell die Köpfe zusammen und im Nu sind Nissen da. – Na ja. Meine Großmutter konnte noch aus der Nachkriegszeit ein Lied davon singen, aber jetzt schütten wir kein Petroleum mehr auf die Köpfe. Die Ärztin, die manchmal kommt, ist schon drauf geeicht.
Dass du das so kannst. Ich tu mich immer schwer mit Leuten, die mir fremd sind, obwohl der Laden vieles mit sich bringt, das mir völlig unbekannt war vorher.
Du warst schon immer ein Sensibelchen.
Das musst gerade du sagen!
Cheryl war glücklich, endlich jemanden von früher neben sich zu wissen. Mit Lieselotte waren sie in mancher Studentenkneipe versackt. sie waren immer die einzigen, die nicht mit Kerls abgezogen sind. Cheryl, weil sie innerlich immer noch an ihrem Lehrer hing, Lilo, weil sie offen lesbisch lebte. Monika Mai war da auch schon manchmal dabei. Aber Cheryl hatte sie nicht so dürr und mit dem kurzen Haarschnitt in Erinnerung. Damals hatte die noch Locken und einmal sogar ´ne Bürste und an den Seiten abrasiert. Darum hatte sie sie nicht erkannt.
Lilo schaute sich Cheryls Bilder an, die ihr nicht so gut gefielen. Sie war mehr für die abstrakte Malerei. Aber das Häuschen in seiner Kargheit und zugleich so farbenfroh und abwechlungsreich, sagte ihr sofort zu.
Die Katzen waren gleich um Lilo herum. Sicher roch sie gut für sie. Und sie fühlten wieder, dass es Cheryl gut ging mit ihr.
Plötzlich ging unten das Telefon, da fiel ihr ein, dass sie Tim ganz vergessen hatte und weil es schon aufgehört hatte zu klingeln als sie runter kam, rief sie bei ihm an und erzählte, dass sie plötzlich Besuch hatte. Er fragte, ob er dann zu ihr kommen solle.
Aber ja! Lilo wird gleich wieder abgeholt. Komm nur.
Es wurde noch ein schöner Abend mit viel Zukunftsmusik. Alles war auf den besten Weg gebracht.
Schwierigkeiten sind dazu da, überwunden zu werden, würde Oma Goldinger sagen, und so sahen die beiden Liebenden das auch.
Wer Gutes tun will, muss sich nicht wundern, wenn die Leute ihm Steine in den Weg legen, meinte Timm. Da wird noch einiges auf dich zukommen.
Aber klaro!

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